DER SCHNEESTURM - BALLETT VON ANDREY KAYDANOVSKIY

Choreographie: Andrey Kaydanovskiy
Komposition: Lorenz Dangel 
Bühne: Karoline Hogl 
Kostüme: Arthur Arbesser 
Licht: Christian Kass 
Dramaturgie: Serge Honegger

Musikalische Leitung: Gavin Sutherland

Bayerisches Staatsballett
Bayerisches Staatsorchester

Uraufführung: 17. April 2021

Fotos: © Bayerisches Staatsballett / Serghei Gherciu
Texte: © Bayerisches Staatsballett / Serge Honegger

 

CHOREOGRAPHIE FÜR DAS NICHT-CHOREOGRAPHIERBARE

Auszug aus dem Programmheftartikel «Choreographie und Sturm»

Mit «Der Schneesturm» hat sich Andrey Kaydanovskiy einen Stoff für sein Handlungsballett gewählt, der zugleich die Frage nach den Bedingungen des Choreographierens aufwirft. Denn ein Schneesturm ist als Wetter- und Sturmphänomen gerade nicht choreographisch strukturiert, sondern funktioniert nach willkürlichen Zufallsprinzipien. Dem Paradox, dass hier der Sturm als ein von chaotischen Prinzipien bestimmter Gegenstand in eine feste choreographische Struktur zu übersetzen ist, begegnet Andrey Kaydanovskiy mit jenem Ansatz, der sich seit jeher für größere Unternehmungen empfohlen hat: Er legte sich vor Probenbeginn ein präzises Szenario zurecht. 

Eine zweite, für die Ballettproduktion wichtige Entscheidung in Bezug auf die Umsetzung von Puschkins literarischer Evokation des Schneesturms liegt in der Darstellung des Sturmgeschehens selbst. Dieses wollte Kaydanovskiy nicht als ein abstraktes Phänomen behandeln. Vielmehr sollte der Schneesturm über die materiellen Qualitäten der eingesetzten Mittel eine faktische Bühnenwirklichkeit erhalten: «Ich glaube, ein solcher Schneesturm stellt uns wieder auf den Boden. Hier merken wir, wie wenig wir als Einzelperson tun können. Gegen den Schneesturm, ja gegen das Leben überhaupt, kommen wir nicht an. Da können wir uns noch so wehren.»

INTERVIEW MIT DEM KOMPONISTEN LORENZ DANGEL

Auszug aus dem Interview mit Lorenz Dangel für das Programmheft zu «Der Schneesturm»

SH: Mit Andrey Kaydanovskiy standest du in einem sehr engen Austausch beim Erarbeiten der Partitur. Wie hat man sich diese Zusammenarbeit genau vorzustellen?

LD: Die große Frage beim Ballett ist ja immer, wer zuerst da ist, der Kom- ponist oder der Choreograph. Es gibt viele Fälle, wo es so läuft, dass da jemand eine Musik schreibt, der Choreograph dann die Musik bekommt und anfängt, darauf zu choreographieren. Und das war bei uns schon sehr anders. Es war ein intensiver Prozess, in dem ich die Mikrostruktur der Szenen bei Andrey ganz genau abgefragt habe, um zu verstehen, was im Verlauf der Bühnenhandlung passieren soll. Das reichte bis hin zu schnöden Sekundenangaben. Dieses Einbinden der vertikalen Struktur aus choreographischen Momenten in das Horizontale des musikalischen Verlaufs war eine große Herausforderung.